Gestern (24.07.2015) wurden in Passau zum ersten Mal sogenannte Stolpersteine verlegt. Dadurch gehört die Stadt nun zu den aktuell 25 bayerischen Städten, die sich dem Erinnerungsprojekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig geöffnet haben. Dabei werden zum Gedenken, Erinnern und Mahnen 96 x 96cm große Betonsteine mit gravierter Messingplatte verlegt. Dies geschieht vor dem letzten frei gewählten Wohnsitz von Vertriebenen, Geflohenen, Deportierten und Ermordeten zur Zeit des Nationalsozialismus. Die Gravur trägt die elementaren und oft tragischen Eckdaten der zerstörten Biographien. Die Stolpersteine sollen erinnern, wachrütteln und gegen das Vergessen angehen. Man soll stolpern! Dabei ist es dem Künstler auch wichtig, Familien wieder symbolisch zusammenzuführen, da sie durch Flucht und Deportation oft zerrissen wurden.
Eine Kooperation aus Stadtjugendring Passau, mehreren Schulen, dem Bund Deutscher Katholischer Jugend in Passau und unserer Evangelischen Dekanatsjugend Passau begleitete das Projekt Stolpersteine.
Wir recherchierten gemeinsam zu den einzelnen Familienschicksalen von Familie Burian, Grünebaum und Pick. Bald identifizierten wir uns mit diesen Passauern, die uns plötzlich so nah und vertraut wurden. Ihrer traurigen Geschichte in unserer gemeinsamen Heimat wurde Leben eingehaucht. Wir kennen die Wege die sie gingen, wissen wo ihre Schule war, wo sie einkaufen waren, wo sie sich mit Freunden trafen… aber auch wie sie geschnitten, gemieden, ausgegrenzt, angefeindet, vertrieben und deportiert wurden…
Aus nackten, grausamen Zahlen und historischen Fakten wurden plötzlich Einzelschicksale, die uns nahe gehen.
Am Freitag, 24. Juli, war es nach Monaten der Recherche und der Vorbereitung soweit: Wir begleiteten die Verlegung der Steine durch Gunter Demnig, legten weiße Rosen an den Steinen der Familie Burian nieder. Dabei gedachten wir laut und in Stille ihrer schweren Zeit in Passau.
Im Anschluss ging es in den großen Rathaussaal, wo wir bei einem Gedenkakt die Ergebnisse unserer Recherchen vorstellten. Die Stimmung war nachdenklich und das Beschäftigen mit dieser sehr ernüchternden und schwierigen Vergangenheit der Stadt Passau äußerst wichtig. Gerade die tragischen Einzelschicksale und der Vortrag von Schülern und Jugendlichen an die “Großen” aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft machte dieses Erinnern zu etwas Bedeutendem und Außergewöhnlichem.
Weitere Bilder der Aktion gibt es auf unserer Homepage unter Galerie. Diese wird in den nächsten Tagen wohl noch erweitert.
Wer nun noch einen visuellen Eindruck in Form von bewegten Bildern sucht, der ist bei den hier verlinkten Videobeiträgen von Bayrischen Rundfunk, TRP1 und einem Youtube Beitrag der Fernsehredaktion des Bistum Passau richtig aufgehoben.
Wir bedanken uns bei allen Kooperationspartnern, dem Stadtarchiv Passau für die Unterstützung bei den Recherchen, bei Anna Rosmus, die durch ihre Bücher über das Thema Judenverfolgung in und um Passau eine wichtige Grundlage für unsere Nachforschungen gelegt hat und natürlich dem Künstler, der dieses kreative Projekt ins Leben rief.
Text: Christian Betzl; Bild: Julia Simon (ejb)